Die Drusen sind eine monotheistische Religionsgemeinschaft, die im 11. Jahrhundert unter der Fatimiden-Dynastie entstand. Eine zentrale Figur in ihrer frühen Geschichte ist der Kalif al-Hakim bi-Amr Allah.
Ihre Glaubenslehre basiert auf der reinen Einheit Gottes, spirituellen Werten, ethischem Verhalten und der Rolle des Verstands im Glauben.
Die heiligen Schriften der Drusen, bekannt als „Episteln der Weisheit“ (Rasa’il al-Hikma), sind in symbolischer Sprache verfasst und nur für Eingeweihte („al-Muwaḥḥidūn“) zugänglich.

Die Drusen haben arabische Wurzeln und sprechen Arabisch, betrachten sich jedoch als eigenständige Glaubensgemeinschaft außerhalb der klassischen islamischen Strömungen.
Sie glauben an die Seelenwanderung (Reinkarnation) als Ausdruck göttlicher Gerechtigkeit, wobei die Seele von Körper zu Körper wandert, bis sie spirituelle Vollkommenheit erreicht.
Der drusische Glaube betont innere Einkehr, Einfachheit in der Anbetung und wöchentliche spirituelle Treffen in sogenannten „Chalwat“ (Gebetsräumen).

Die Drusen sind für ihre Loyalität gegenüber dem Staat, ihren Respekt gegenüber der Zivilgesellschaft und ihre Fähigkeit zur Integration in verschiedene Gesellschaften bekannt.
Sie leben überwiegend in bergigen Regionen wie im Libanon, in Syrien, Palästina und Jordanien.
Es existieren auch drusische Diaspora-Gemeinschaften in Deutschland, den USA, Venezuela und weiteren Ländern.
In Deutschland leben mehrere hundert Drusen – viele von ihnen sind Geflüchtete oder neue Migrant:innen – und engagieren sich aktiv für den Erhalt ihrer kulturellen und religiösen Identität.Die drusische Gemeinschaft zeichnet sich durch starken inneren Zusammenhalt, soziale Solidarität und großen Respekt gegenüber älteren Menschen und Gelehrten aus.

Der Glaube ist nicht missionarisch, und der Übertritt zur Religion ist nicht vorgesehen. Die Zugehörigkeit wird familiär weitergegeben.
Die Gemeinschaft ist in zwei Gruppen aufgeteilt: die „Unwissenden“ (Juhhāl) und die „Eingeweihten“ (ʿUqqāl), wobei nur Letztere Zugang zu den religiösen Texten und Lehren haben.

Frauen spielen eine bedeutende und respektierte Rolle im drusischen Leben – sie sind aktiv in Bildung, Beruf und Öffentlichkeit vertreten, auch wenn es in religiösen Fragen gewisse traditionelle Grenzen gibt.
Zentrale Werte des Glaubens sind: Ehrlichkeit, Treue, Mut, Wohltätigkeit und Gerechtigkeit.
Die Drusen betonen individuelles ethisches Verhalten als Weg zur göttlichen Nähe und inneren Vervollkommnung.

In der modernen Welt sind Drusen in vielen Bereichen aktiv – etwa in Medizin, Bildung, Philosophie, Politik und im öffentlichen Dienst.
Trotz ihrer relativ kleinen Zahl (weltweit etwa 1 bis 1,5 Millionen) ist ihr kultureller und gesellschaftlicher Beitrag in ihren Herkunftsländern wie auch in der Diaspora beachtlich.
Drusische Gemeinden im Ausland bemühen sich, ihre Sprache, Werte und Identität zu bewahren – stets im Einklang mit der Umgebungsgesellschaft.

Organisationen wie der „Drusische Verein in Deutschland“ oder „Die Drusen in Sachsen“ sind Beispiele für ihr kollektives Engagement zur Bewahrung und Förderung ihres kulturellen und spirituellen Erbes.
Bildung und Wissen gelten als Schlüssel für gesellschaftlichen Fortschritt, ebenso wie Toleranz und Mitmenschlichkeit.

Die Drusen sind eine tief verwurzelte Glaubensgemeinschaft mit einzigartigen spirituellen und philosophischen Traditionen.
Trotz ihrer besonderen Eigenheiten sind sie offen für Dialog, Zusammenarbeit und aktive Teilhabe an vielfältigen, modernen Gesellschaften.

Geschichte

🕰️ Die Geschichte der Drusen – Letzte 100 Jahre (ca. 1925–2025)

Die Drusen, eine religiöse Gemeinschaft mit Wurzeln im 11. Jahrhundert, spielten auch im letzten Jahrhundert eine bedeutende Rolle in verschiedenen Teilen des Nahen Ostens. Ihre Geschichte ist geprägt von Loyalität zum Staat, dem Streben nach Autonomie, Integrationsbereitschaft und gleichzeitig dem Erhalt ihrer kulturellen Identität.

1920er–1940er: Mandatszeit & erste nationale Bewegungen

Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches wurden Syrien und Libanon unter französisches Mandat gestellt. In dieser Zeit organisierten sich die Drusen politisch stärker, insbesondere in Syrien, wo sie eine wichtige Rolle im Großen Syrischen Aufstand (1925–1927) gegen die französische Kolonialherrschaft spielten. Angeführt wurde dieser Aufstand u. a. von Sultan al-Atrash, einer zentralen Figur der drusischen Geschichte.

1950er–1970er: Unabhängigkeit und staatliche Integration

Mit der Unabhängigkeit Syriens und Libanons integrierten sich die Drusen weitgehend in die neuen Nationalstaaten. In Libanon wurden sie Teil des konfessionellen Systems und hatten politisches Gewicht, etwa durch Führer wie Kamal Jumblatt, Gründer der Progressiv-Sozialistischen Partei. In Syrien blieben sie als loyale Bürger Teil der Armee und Verwaltung.
In Israel erhielten die Drusen nach 1948 einen besonderen Status: Sie unterschieden sich politisch von anderen arabischen Minderheiten, dienten in der israelischen Armee und bekamen Zugang zu Staatsdiensten, was zu einem hohen Maß an Integration führte.

1980er–1990er: Bürgerkriege & politische Umbrüche

Im Libanesischen Bürgerkrieg (1975–1990) waren die Drusen unter Walid Jumblatt (Sohn von Kamal) eine der aktivsten Kräfte. Nach dem Krieg etablierten sie sich weiterhin als politische Kraft im Land. In Syrien blieb ihre Rolle stabil, obwohl die politische Repression unter dem Assad-Regime auch sie betraf.
Gleichzeitig begannen erste Migrationswellen von Drusen nach Europa, Nordamerika und Lateinamerika – insbesondere durch politische Instabilität oder wirtschaftliche Gründe.

2000er–2010er: Migration & neue Herausforderungen

Mit der zunehmenden Globalisierung vergrößerten sich drusische Diaspora-Gemeinden, vor allem in den USA, Kanada, Venezuela, Australien und Deutschland.
Nach Beginn des Syrischen Bürgerkriegs (ab 2011) flohen viele Drusen – insbesondere aus dem Süden Syriens (Region al-Suwaida) – in Nachbarländer oder Europa.
In Israel standen die Drusen vor einer Identitätsdebatte: Einerseits patriotisch integriert, andererseits kritisch gegenüber neuen Nationalgesetzen, die sie benachteiligten.

2020er–heute: Diaspora, Integration und Identitätswahrung

Heute leben weltweit schätzungsweise 1 bis 1,5 Millionen Drusen. Während die Gemeinschaften in Syrien, Libanon und Israel mit regionalen Krisen, wirtschaftlicher Not oder politischen Spannungen konfrontiert sind, wächst die Bedeutung der Diaspora-Gemeinschaften.
In Ländern wie Deutschland organisieren sich die Drusen in Vereinen und kulturellen Initiativen, um ihre Religion, Sprache und Werte zu bewahren – dabei engagieren sie sich gleichzeitig aktiv für Integration, Bildung und sozialen Zusammenhalt.